Samstag, 25. Dezember 2010

La Junta / Carretera Austral

Leider erreichte uns am Donnerstag-Abend die schreckliche Nachricht, dass meine Tante Hannchen verstorben ist. Meine Tante, selbst eine begeisterte Weltenbummlerin, hatte an unserer Reise grossen Anteil genommen und war von Anfang an euphorisch mit dabei. Ihr Tod macht uns sehr traurig, sie wird uns sehr sehr fehlen.
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Weihnachten am Ende der Welt! Sind gestern nach einer kleinen Odyssee in La Junta, einem echten Kaff an der Carretera Austral gestrandet. In Puerto Montt hatten wir glücklich noch einen Platz auf der letzten Fähre ergattert, die vor Weihnachten noch Richtung Süden ablegte. In Puerto Montt hatte uns der junge Mann in der Touristen-Information versichert, dass am Fähranleger am Zielhafen Chaitén dann bereits Busse auf die Fährpassagiere warten würden. Hörte sich reibungslos an.
Morgens um sieben Uhr spazierten wir also nach einer Nacht mit wenig Schlaf erwartungsfroh von der Fähre runter und folgten den anderen Passagieren in eine kleine, ungeheizte, rote Holzbarracke. Dort drinnen dann ein paar Holzbänke, sonst nix.
Auf Nachfrage, wann denn der Bus kommen würde, wurde uns gesagt "So um 10!" Nachdem es in der Barracke langsam frisch wurde, machte ich mich auf den Weg in den nahen Ort Chaitén. Chaitén war bis zum Mai 2008 ein kleiner florierender Ort. Dann brach ein unscheinbarer Berg, der vorher noch nicht als Vulkan aufgefallen war aus, bedeckte den Ort mit einer meterdicken Ascheschicht und überschwemmte grosse Teile Chaiténs mit Schlammlawinen. Der Ort sollte nach diesen Zerstörungen aufgegeben und an anderer Stelle neu aufgebaut werden. Die Einwohner entschlossen sich aber dagegen und bauten Chaitén so weit möglich wieder auf. Aber noch immer ist dies eine Geisterstadt. In einigen Fenstern hängen Schilder wie "Chaitén ist nicht tot!" oder "Chaitén lebt - lasst uns zurückkehren!".
Dort fanden wir eine kleine Kneipe, in der ein zahnloser Opa (scheinbar schon länger...) an seinem Matetee zutzelnd am warmen Ofen sass. Dort gabs ein Frühstück und die Information, dass der Bus nicht vor 11:30 Uhr abfahren würde. Der Tresen war übrigens mit einer in grünes Krepp-Papier gewickelten Schnapsflasche festlich geschmückt. Die Zeit kroch zäh dahin und um 10 erschien der Bus. Wir stiegen ein und fuhren in der falschen Richtung davon, um dem örtlichen Airport einen Besuch abzustatten. Gegen halb 12 waren wir dann wieder vor der Kneipe im Ort und die Fahrt sollte nun beginnen. Nach anderthalb Minuten Fahrzeit und etwa 150 m Streckenlänge bremste der Fahrer den Bus vor einem Restaurant und erklärte "Nun wird gegessen!".
Nach der verdienten Mittagspause und weiteren Unterbrechungen starteten wir um eins, das heisst ganze sechs Stunden nach Anlegen der Fähre, unsere Busfahrt. Nach einem Buswechsel, konnten wir dann feststellen, dass es in Patagonien auch im Bus regnet. Gegen Fünf kamen wir im Nest "La Junta" an. Heute würde es keinen weiterfahrenden Bus geben - also Heiligabend im patagonischen Nirgendwo. Morgen früh um sechs würden wir dann unsere Fahrt fortsetzen können. In der ersten Herberge hatte es (passend zum Heiligabend) keinen Raum für uns. Doch wir fanden kurze Zeit später eine nette Scheune ;-)
Der weihnachtliche Kirchgang fiel ins Wasser, da wir im wohl einzigen südamerikanischen Dorf ohne Kirche hängengeblieben waren... Es gab allerdings eine Art Andachtsraum, vor dem eine Frau tatkräftig eine Glocke läutete. Da wir dort drin aber die Einzigen gewesen wären, haben wir Atheisten uns gegen die spanischsprachige katholische Messe im sehr privaten Rahmen entschieden. Und so kam es, dass wir am Heiligabend 2010 mit einer Flasche Rotwein, Brot und Käse im Bett sassen und uns weihnachtliche Weisen (Sting und Freunde in der Kathedrale Durham) im Fernsehen ansahen.
Heute morgen quälten wir uns um 5:15 Uhr aus dem warmen Bett, um pünktlich kurz vor Sechs im patagonischen Nieselregen im komplett ausgestorbenen Dorf La Junta vor dem Busbüro zu stehen. Gegen Acht fragte eine barsche Stimme was wir denn hier wollten. Auf die Antwort, dass wir auf den Sechs-Uhr-Bus nach Coyhaique warten, erhielten wir die erfrischende Rückmeldung: "Heute kein Bus, erst Montag wieder, ist Weihnachten!". Nach einer kurzen Ungehaltenheit, suchten wir andere Wege aus dem Ort, der laut Reiseführer ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt ist... Nachdem wir unsere (wohl verkaterte) Hostalwirtin dazu gebracht hatten, uns ein Frühstück zu servieren, starteten wir den Versuch per Anhalter ein paar Kilometer weiterzukommen. Mussten dann aber feststellen, dass zum Trampen ein Minimum an Verkehrsaufkommen nötig ist. Die Carretera Austral lag eine Stunde lang gähnend leer und kilometerweit einsehbar vor uns. Nachdem uns selbst die streunenden Hunde mitleidig anschauten, brachen wir den Versuch ab und ergaben uns in unser Schicksal.
Und nun sitzen wir, mit der berechtigten Hoffnung, morgen einen Bus nach Coyhaique zu erwischen in einem äusserst gemütlichen, kleinen Restaurant. Haben grade einen leckeren weihnachtlichen Braten samt Vorsuppe und Dessert verspeist und heisse Schokoladen geschlürft. Und Internet gibts hier glücklicherweise auch hier.

heute nur Handyfotos: der Fähranleger in Chaitén

das geradezu quirlige Busterminal in Chaitén

der 1. Weihnachtsfeiertag, 6 Uhr morgens in La Junta

die majestätische Carretera Austral

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